Heute werde ich mir noch richtig in die vor Schreck in die Hose machen. Aber noch wusste ich das nicht. Der Tag begann mit schönem Wetter. Ab und zu sah man in den Bergen Regenwolken, aber die störten mich nicht weiter. 

Von Ust Nera bis Magadan waren es noch ca. 1.000 km. Ich wollte mir zwei Tage dafür Zeit nehmen und es gemütlich angehen. Ca. in der Mitte liegt die Stadt Susuman. Dort finde ich sicher ein gemütliches Hotel. Unterwegs führ ich an unzähligen verlassenen Minen vorbei. Gold, Kohle, Uran – alles Mögliche wurde hier abgebaut. 

Die Straße führte entlang des Debin Flusses. Ich prüfte immer wieder den Wasserstand des Flusses. Diesen Fluss hätte ich ohne irgendeine Brücke auf der „Old Summer Road“ überqueren müssen. Ich konnte mir unmöglich vorstellen wie ich das bei diesem Wasserstand geschafft hätte und war schließlich dann froh, dass ich mich für die Straße via Ust Nera entshieden habe.

Aber die Straße war gut und die Landschaft war schön. Und Hey – es gab sogar ein paar Kurven! Ich habs richtig genossen.

Kurz vor Susuman erreiche ich die Geisterstadt Kadykchan. Hier zweigt mündet die „Old Summer Road“ wieder in die neue Straße ein. Ich dachte mir, dass ich mal schauen könnte wie die Straße auf dieser Seite so beinander ist. 

Nach nur etwas mehr als 10 schweren Kilometern durch Sumpf und Schlamm erreichte ich den Debin Fluss, den man hier ohne Brücke überqueren müsste. Die Rest der alten Brücke sieht man noch auf der gegenüberliegenden Seite. Es war unvorstellbar für mich diesen Fluss bei diesem Wasserstand zu queren. Ich habe es zu Fuß versucht aber bekam es nach wenigen Metern, als ich bis zum Bauch in der Strömung stand mit der Angst zu tun. Respekt vor jedem, der diesen Fluss bei solchem Wasserstand mit dem Motorrad durchquert. Ich kehrte resignierend und Kopfschüttelnd um. 

Zurück an der „Hauptstraße“ bog ich gleich wieder auf die Gegenüberliegende Seite ab. Hier ist die Geisterstadt Kadykchan, die ich mir auch noch ansehen wollte. Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde die Stadt im zweiten Weltkrieg von den Gefangenen in den Gulags erbaut. Danach lebten und arbeiteten hier Minenarbeiter und deren Familien. In der Hochzeit lebten hier bis zu 11.000 Menschen. Eine Geschichte besagt, dass es 1996 eine große Explosion in einer Kohlenmine gab. Diese wurde geschlossen und alle Einwohner verließen den Ort. Eine andere Geschichte sagt, dass im Winter der Stromgenerator für die Stadt ausfiel und deshalb wurde die Stadt schlagartig verlassen. Bei -40 Grad im Winter würde ich das sogar verstehen. Auf jeden Fall war der Spaziergang durch die verlassene Stadt schon durchaus gruselig.

Ich fuhr dann weiter nach Susuman und ging im Supermarkt was zu Essen kaufen. Ja, das ist der eingang vom Supermarkt in Susuman. Ihr seht schon es ist optisch nicht viel Unterschied ob eine Stadt in fernen Osten Russlands bewohnt, oder seit Jahren verlassen ist. 

Eigentlich wollte ich hier übernachten, aber es war erst Nachmittag. Also machte ich mich weiter auf den Weg Richtung Magadan.

Die nächste Ortschaft zu erreichen war kein großes Problem. Aber ich fand dort keine Unterkunft. Ich musste noch etwa 100km weiter. Es war schon spät, begann leicht zu dämmern und wieder zu regnen. Das Licht der BMW viel aus. Muss wohl was mit dem Kabel sein, aber ich nahm mir nicht die Zeit genauer nach zu sehen. Geht sich sicher alles aus bevor es dunkel wird.

Die Straße wurde wieder schlechter und waren zum Teil überflutet. Brücken waren teils wegen der Unwetter der letzten Tage weggerissen und ich musste wieder einige Bäche durchqueren – meist ohne große Probleme.

Dann kam ich aber an einen kleinen, reißenden Bach, der die Straße weggespült hatte. Ich stieg ab und wollte zu Fuß einen Weg durch den Bach suchen. Auf einmal brach die gesamte Straße unter mir weg und ich stürzte ins Wasser. Ich hatte noch meinen Helm auf und tauchte mit dem Kopf unter Wasser. Die schwere Motorradkleidung zog mich in die Tiefe. Irgendwie konnte ich noch einen Ast greifen und mich herausziehen, bevor es mich weiter in den Debin Fluss spülte. Ich war schwer geschockt, völlig durchnässt – aber soweit OK. Das Motorrad stand Gott sei Dank etwas weiter entfernt und war Safe. Hier in Bild des Baches, in den ich gefallen bin und den ich noch überqueren musste.

Ok – es waren noch gut 70 km bis zur nächsten Ortschaft. Das sind bei diesen Verhältnissen 2-3 Stunden fahrt. Und es war bereits 10 Uhr am Abend. Ich hatte zwei Möglichkeiten:

1) Zelt aufbauen, ein Feuer machen und versuchen mich so irgendwie zu wärmen und zu trocknen. Aber es gab hier nur Sumpf und es war unmöglich eine Stelle zu finden das Zelt aufzubauen. 

2) ohne Licht bei Dunkelheit die nächste Ortschaft erreich und hoffen, dass ich um Mitternacht (oder später) irgendeinen unterschlupf finde. Zumindest dachte ich, dass ich einen Schuppen finde, wo ich halbwegs im Trockenen liegen kann oder sogar mein Zelt aufbauen kann.

Also Variante zwei!

Der Bach war schnell überquert – leichter als gedacht. Mir war einkalt, es war dunkel, ich hatte kein Licht, es regnete. Es war mitternacht als ich endlich eine Siedlung erreichte. Es gab eine Polizeistation, aber sie war geschlossen. Ich fuhr durch den Ort und sah Licht in einem kleinen Supermarkt. Ich klopfte an und eine ältere Frau öffnete mir. „Ich brauche einen Platz zum schlafen“ sagte ich „ich bin in den Fluss gefallen, ich friere- Ich brauche einen trockenen Platz bitte“. Ich war sehr froh, dass ich ein bisschen russisch gelernt habe, sonst hätte ich mich nicht verständigen können. Irgendein Typ erschien aus dem Hinterzimmer und sagte, dass ich ihm folgen sollte. Er brachte mich zu diesem Gebäude:

Es war ein altes Krankenhaus aus der Zeit des Krieges. Es war komplett verlassen, aber in ein paar Fenstern brannte Licht. Das Gebäude war riesig. Die Gänge waren in ein grünes Licht getaucht, Überall standen diese alten eisernen Krankenbetten wie man sie aus historischen Dokumentationen kennt. Am Ende des Ganges war ein massives Gitter. Er bat mich zu warten und nach ein paar Minuten kam er mit einer jungen, hübschen Krankenschwester, die den Schlüssel für die eiserne Gittertür hatte. Sie brachte mich in ein Zimmer mit einem kleinen Bett, wünschte mir eine gute Nacht versperrte das Tor und verschwand. Ich war komplett perplex. Ich war eingesperrt von einer russischen Krankenschwester in einem gruseligen Krankenhaus im Nirgendwo. „Wieso hat sie mich hier eingesperrt?“ ging es mir durch den Kopf. „Gibt es hier Zombies?“ Was für eine skurrile Situation. Ich sah mich im Zimmer um. Es gab sogar eine Dusche. Es kam nur dreckiges, rostiges, kaltes Wasser aus dem Duschkopf. Es war mir egal – ich duschte trotzdem. Die nasse Kleidung hab ich noch aufgehängt und die Frisur sitzt perfekt.  Mit gemischten Gefühlen schlief ich schließlich erschöpft ein.

Tags:

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Blog abonnieren

Inhaltsverzeichnis