Es ist egal wie oft du hinfällst,

was zählt ist, wie oft du wieder aufstehst.

Die Nacht ist lang und schlaflos. Wer mich kennt, der weiß dass mich der Ärger wegen den lausigen 10 Minuten Verpätung von gestern nicht zur Ruhe kommen lässt. Und dann ist da noch die Eisenbahn direkt vor meinem Zimmer. Nicht gerade gut ausgeruht gehe ich zum Frühstück und schäle mich anschließend wieder in mein tropfnasses Endurokleid.

Auf den 13 Kilometern zum heutigen Startplatz ziehen noch die Nebel um die Berge. Jedoch zeichnet sich ein wunderbarer Endurotag ab. Mit 147 Kilometern steht heute der längste Fahrtag auf dem Programm. Leider starte ich wieder nur aus 92. Position, da es von gestern aufgrund technischer Probleme keine gültige Rangliste gibt. Das nach vorne arbeiten hat also wieder nichts geholfen.

Nach dem Start geht es gleich zügig los. Die ersten Kilometer führen über weitläufige Almwiesen. Morgendlicher Nebel macht die Navigation oft schwierig.

Kaum aber kommt die Sonne durch geht es fulminant dahin.

Die Euphorie der ersten schnellen Kilometer findet jedoch in einer Art Hochmoor ein plötzliches Ende. Ich navigiere vorsichtig durch die sumpfigen Wiesen. Es ist immer gut, wenn andere Teilnehmer irgendwo feststecken, dann weiß man, wohin man nicht fahren soll. Ist jemand aussichtslos festgefahren, helfe ich natürlich bei der Befreiung.

Danach folgt ein kräftezehrender Mix aus Felsblöcken und Sumpflöchern, die so manchem Enduristen schon zu Beginn des Tages  die Kräfte rauben. Auch ich spüre, dass meine Energiereserven langsam zu Ende gehen und mein Trainingsrückstand macht sich spätestens jetzt bemerkbar. Trotzdem hält mich wiederum der Stau mehr auf, als die Schwierigkeit des Geländes an sich.

Es folgt eine nicht endend wollende konstant steile Abfahrt zum ersten Checkpoint. Und wenn nicht spätestens jetzt die Unterarme brennen, dann hat man in der Vorbereitung alles richtig gemacht. Wenn nicht – auch kein Problem, denn die darauffolgende Auffahrt zieht die Arme wieder lang.

Bis zum Servicepoint in der Rennhälfte läuft alles halbwegs gut. Ich bemerke, wie ich schon wesentlich öfter stürze als normal. Je öfter man stürzt und das Motorrad wieder aufrichten muss, desto erschöpfter wird man. Je erschöpfter man ist, dessto öfter stürzt man. Je öfter man stürzt und das Motorrad wieder aufrichten muss, desto erschöpfter wird man. Je erschöpfter man ist … Ok ich glaub ihr wisst, was ich sagen will.

Kurz vor dem Servicepoint noch eine extrem rutschige Schrägfahrt im Wald entlang eines Flusses. Jedes Abrutschen kann hier fatal enden. Es würde wohl Stunden dauern, das Motorrad Zentimeter um Zentimeter über den steilen, rutschigen Laubboden wieder nach oben zu bringen. Entsprechend vorsichtig arbeite ich mich vorwärts. Vor mir verzweifelt eine Gruppe Engländer etwa 10 Meter unterhalb des Weges beim Bergen eines Motorrades. Ufff.

Recht erschöpft erreiche ich den Servicepunkt, bleibe bei der letzten Brückenüberfahrt noch am Geländer hängen und stürze in Zeitlupe vor versammeltem Publikum in den Zielberreich des Sericepoints. Peinlich.

Eine steile, schnurgerade Auffahrt im fast ausgedrehten dritten Gang eröffnet den zweiten Teil der Tagesetappe. Der Regen der letzten Tage hat viele Wege wieder in ein Schlammoase verwandelt. Ich schaffe es am Nachmittag kaum noch meine Spur zu halten und das Fahren wird immer anstrengender.

Trotzdem erreiche ich immer noch gut in der Zeit den letzten Checkpoint. Jetzt kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Aber it´s aint over till its over – wie wir Tiroler so sagen. In einer extrem tief ausgefahrenen Rinne staut es sich schon wieder.

Und im darauffolgende Steilhang müssen noch einmal die letzten Kräfte mobilisiert werden. Gut 10-15 Romaniacs beißen sich an der Auffahrt die Zähne aus und Motorräder fliegen kreuz und quer durch den rumänischen Wald – auch meines.

Das Rennen hier am Ende des Feldes ist geprägt von Kampf und Erschöpfung. Während die besten Teilnehmer bereits im Ziel ihr Bierchen genießen ist es hier nur noch ein schmerzhafter Kampf ums durchkommen. Aus diesem Grund werden die Romaniacs wohl als härteste Hard-Enduro-Rallye bezeichnet.

Doch auch dieser Hang wird bewältigt und es folgt ein zügiger Singletrail. Jetzt wirds doch noch einmal knapp mit der Zeit – ich sollte mich beeilen. Kaum gedacht, verschlägt es mir das Vorderrad, ich schlage einen Salto und lande mit dem Bauch im Lenker. Mir wird kurz schwarz vor Augen und ich überlege einfach liegen zu bleiben. Doch ich muss weiter. In der Ferne sehe ich bereits Sibiu und die Zivilisation. Weit kann es nicht mehr sein.

Die Routenbauer kennen jedoch keine Gnade, und so geht es statt über eine Straße wenige Meter daneben durch ein kleines, unscheinbares lehmiges Bachbett, das die Motorräder wie eine hungrige Cobra verschlingt und nicht mehr loslässt. Egal wo ich hinblicke – hier überschlägt es einen, dort versinkt einer im Sumpf, weiter drüben liegt einer unter seinem Motorrad im Bach. Wie die Fliegen in einem Spinnennetz zappeln wir herum. Man weiß nicht, ob man weinen oder lachen soll. Mir rennt die Zeit davon und mit letzter Kraft schaffe ich es mein Motorrad aus dem alles verschlingenden Lehmloch zu befreien.

Endlich erreiche ich Sibiu gemeinsam mit 3-4 anderen Teilnehmern. Doch wir müssen ans andere Ende der Stadt und darüber hinaus bis ins Ziel mit dem berüchtigten Gusteria Steilhang. Bis dahin warten noch weitere Hindernisse wie der spektakuläre Wallride über den Fluss oder eine skurrile Schiebepassage außerhalb des Geländers einer Fußgängerunterführung. Und immer lauert die Gefahr, das Motorrad im Fluß zu versenken. Doch alle Schwierigkeiten werden bravourös gemeistert und sogar noch ein Motorrad eines Mitstreiters mit gemeinsamer Kraft aus dem Fluss geborgen.

Ich habe noch 10 Minuten Zeit als ich in den Zielbereich einfahre. Schaffe ich es in der Zeit? Noch ist es nicht vorbei. Der Gusteria Hillclimb wartet noch, ebenso die haarsträubende Abfahrt zurück, weitere Auffahrten und zum Schluss noch die Überquerung des Schlammpools um ins Ziel zu gelangen. Fehler kann ich mir jetzt keinen mehr leisten. Und wie durch ein Wunder klappt alles wie geplant. Die Auffahrten alle im ersten Versuch, die Abfahrten werden ohne Rücksicht auf Verluste mit geschlossenen Augen genommen. Links und rechts liegen Motorräder in den Bäumen, daneben total erschöpfte Typen – es ist der grausame Kampf der Fahrer, die um keine Platzierung, sondern nur darum kämpfen das Rennen zu beenden.

Manche seilen die Motorräder über die Steilstufen ab, Ich habe keine Zeit und lasse einfach rollen. Doch wenige Meter vor dem Ziel rutsche ich von der Planke mitten in den Schlammpool und versenke mein Motorrad. Zu zweit zerren wir es auch dem See und durch das Ziel. Es war ein harter Kampf und es war noch einmal ziemlich knapp. Aber es ist geschafft. Ich bin offizieller Finisher der Red Bull Romaniacs 2014 und beende das Rennen auf Rang 80 in der Gesamtwertung.

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One response

  1. Lässig, dass du es derpackt hast Alter *daumenhoch* Gut und unterhaltsam geschrieben, du kannst das fast so gut wie ich hehehehehe…. 😉

    Gruß Steve

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